Bikepacking Österreich: drei Bundesländer, zwei Pässe, eine Frau
Nach gut zwei Jahren sollte ich also wieder für mehrere Tage am Drahtesel sitzen. Damals, im Sommer 2015, machten mein Bruder Pascal, seine Freundin Delanda und mein damaliger Freund Chrisi ebenfalls eine Radreise von zuhause in Oberösterreich ans Meer nach Italien, ebenfalls mit dem Fahrrad. Seitdem sind so unglaublich viele Dinge geschehen, nichts ist mehr wie es war. Es fühlt sich an, als lägen nicht 24 Monate, sondern vielmehr eine gesamte Lebenszeit dazwischen. Nun sollte es von Pucking, also OÖ nach Klagenfurt, Kärnten gehen – und zwar diesmal alleine!
Zelt oder nicht Zelt; das ist hier die Frage! Nach langem Hin und Her hatte ich mich für die sogenannte „Weichei-Variante“ entschieden: nämlich den Naturburschen in mir vorerst den Rücken zu kehren und Schlafsack, Iso-Matte und Zelt zuhause zu lassen. Und das aus mehreren Gründen: erstens war das Wetter für die kommenden Tage nicht allzu vielversprechend, zweitens würde ich ansonsten noch mehr Gepäck befördern müssen und drittens war ich mir nicht sicher, ob ich die dicken Eier dazu aufbringen konnte, mir allein ein Waldversteck zu suchen, um dort umgeben von Wölfen, (Heidel-)Bären und Monstern die Nacht zu verbringen. ;) Der Plan war also, mir jeden Tag (Abend) eine Unterkunft vor Ort zu suchen, da ich noch nicht wusste, wie weit mich mein Fahrrad (kein E-Bike u know) tragen würde.
Ich hatte mir eine uuuungefähre Route zurechtgegooglemapst, für die ich von Pucking in OÖ nach Klagenfurt in Kärnten 4 Tage brauchen würde, allerdings hatte ich einen Tag Spazii eingeplant, da ich mich bei meiner Freundin erst für Freitag ankündigte und Montagmorgen losdüste. Von meiner Haustüre bis zur Haustüre meiner Freundin namens Sabo <3 sind es etwa 300 Kilometer. Die täglichen Kilometer sollten sich also auf etwa 60 bis 70 belaufen; die zu bewältigenden Höhenmeter allerdings sollten die wahre Herausforderung an der ganzen Radgeschichte darstellen; diese konnte ich bei der Planung noch erfolgreich verdrängen! :D
Tag 1 – Die Radtour beginnt – „du schaffst das nie“
Ich war wach, noch bevor mich der Wecker aus dem Schlaf reissen konnte. Viel Vorfreude mischte sich unter meine Aufregung. Wann mir die Idee, meine Freundin in Klagenfurt mit dem Fahrrad zu besuchen, gekommen ist, kann ich gar nicht mehr so genau sagen, aber ich erinnere mich, dass ich bereits letztes Jahr angekündigt hatte, dass ich kommen würde, nun konnte ich meinen Plan endlich in die Tat umsetzen.
Dies und das musste ich noch zusammenpacken, Dinge erledigen, mich verabschieden und um 10 Uhr (also wiedermal 2 Stunden später als vorgenommen) schwang ich mich auf mein Mountainbike und stieß in die Pedale Richtung Steyr. Ob ich einen kompletten Stiefel und mit der „Kirche ums Kreiz“ zusammengefahren bin? Vielleicht. Möglicherweise. Aber egalooo, hauptsache ich konnt‘ ein Stückchen am schönen Ennsradweg pressen.
Die Route für den ersten Tag war wie folgt:
Pucking – Allhaming – Neuhofen – Piberbach – Schiedlberg – Steyr – Ternberg – Trattenbach – Losenstein
Bereits auf den ersten Kilometern durchschwappte mich eine spezielle Art von Glückseligkeit, die ich in der Art schon länger nicht mehr verspürte. Gleich wusste ich wieder, weshalb ich längere Fahrradfahrten so sehr liebe: Freiheit. Unabhängigkeit. Den Moment leben. Und die tolle Art vorwärts zu kommen. Schnell genug, um von A nach B zu gelangen und langsam genug, um die Umgebung gebührend zu genießen und die Atmosphäre fühlen zu können.
Von Pucking bis Neuhofen bis Piberbach bis Steyr passierte nicht allzu viel Spannendes, außer, dass ein paar Steigungen mich schon etwas herausforderten (das war noch nix im Vergleich zum Bevorstehenden). Das Wetter war optimal, etwas windig, aber nicht zu heiß.
In Ternberg machte ich auf einem Bankerl, neben der an diesem Tag dreckigen Enns (vom Unwetter), erstmals eine Pause und war allerdings (leider) nicht lange allein. Nach wenigen Sekunden kamen zwei Männer auf mich zu gerannt, mein Gefahren-Barometer schlug an und ich wappnete mich für einen Fight. Es stellte sich dann zwar raus, dass die beiden wohl harmlose Typen waren „Geee bleib nu wengal do…Es hod scho so laung ka weibliches Wesen mehr mit uns gret…Wir vergewaltigen di scho net“ – naaaa daaaaun. Ich suchte nach einem kurzen „Höflichkeits-Smalltalk“ jedoch das Weite.
Noch etwas aufgewühlt fuhr ich offensichtlich die Abzweigung links statt rechts und endete auf einem „Unbefugte-verboten-Kraftwerksgelände“. Ich wurde entdeckt, noch bevor ich mich entfernen konnte. Jedoch war das ein gemütlicher Arbeiter, der mir anbot, dass mich sein Kollege mit nach Weyer nehmen könnte. Aber das war ja nicht Sinn der Sache, sonst hätte ich doch gleich mit dem Zug nach Klagenfurt fahren können :) – ich lehnte dankend ab und setzte die nun anstrengende Fahrt bergauf/bergab bis Trattenbach fort.
Meine Tagesetappe war eigentlich bis Großraming geplant – das schaffte ich jedoch nicht. Um etwa 18:30 Uhr war ich in Losenstein angelangt und fragte eine Anrainerin nach dem Weg bis Großraming. „Also bis dorthin sind es noch locker 2 Stunden; wennst im Ort bleiben willst, kenn‘ ich a nette Pension, die is billig außerdem.“ Dass es noch 2 Stunden gedauert hätte, bezweifle ich zwar zutiefst, allerdings war ich ihr sehr dankbar, da die Unterkunft Bräuhaus Marxrieser in Losenstein wirklich sehr nett und nicht zu teuer war (34 € inkl. Frühstück). „Sogst da Chefin an schen Gruaß von da Margit“. Auf einem Hügelchen nahe der Burg Losenstein kehrte ich also für die erste Nacht ein.
Vom Stammtisch dort, der ausm Sepp, Franz und Lois‘ bestand, wurde ich sehr nett begrüßt, auf a Trangl eingeladen; ausgelacht und keineswegs ernst genommen. „Wooooos wüst‘ du?! Noch Klogenfurt?! Pahhh, niiiiiemois schoffst des! Wast du überhaupst wo du do drüber muast?! Über die zwa Pässe kummi jo netmoi mim Auto gscheid ummi“. :D Das kostete mir einen müden Lacher, denn ans Nicht-Schaffen dachte ich ehrlich gesagt nicht. Vermutlich werde ich öfters das Fahrrad schieben müssen aber nach Klagenfurt komm ich, das ist sowas von fix, Burschen!!!
Wenn man dem Fahrradcomputer trauen darf waren es 66 Kilometer und Nettofahrzeit 5 Stunden. Dem Popschal ging es übrigens (dank Radlerhose und Gelsitz) blendend.
Tag 2 – Warum ich nicht an Zufälle glaube/Zelten in der Wildnis ohne Zelt
Nach einer durchwachsenen Nacht (gemütliches Bett aber teilweise schlaflos, Kopfweh von der Vortagssonne) startete der zweite Tag um 8 Uhr mit einem kleinen Frühstück (den überwiegenden Teil brachte ich selbst zwecks Vegan und so). Mit Einpacken, Satteln und Vertratschen kam ich wiedermal viiiiel zu spät (9:30 Uhr) los und fuhr zunächst nach Reichraming bei schönstem Wetter. Großraming wäre übrigens eine Fleißaufgabe gewesen, dorthin musste ich ja garnicht (Danke fremde Anrainerin namens Margit!).
Von Reichraming bog ich schließlich auf eine Schotterstraße ab und fuhr den sogenannten Hintergebirgsradweg entlang und fuhr und fuhr und fuhr Richtung Unterlaussa neben einem Bach (Fluss?) laaaaange dahin. Immer weiter hinein ins Herz des Nationalparks Kalkalpen durch die wildromantische Landschaft. Der Weg verläuft zum Teil durch abenteuerliche/dunkle Tunnels (hab mein Fahrradvorderlicht natürlich schon längst verloren) und Wasserfällen vorbei (You can call me Waterfall hunter!). Die Strecke ist wirklich imposant und sehr empfehlenswert! Dort waren auch viele andere Radler unterwegs. Familien mit Kindern starten in Anzenbach und machen den Radrundweg im Reichraminger Hintergebirge. Irgendwann war ich dann aber allein, die Hitze war schon wieder unbarmherzig. Es war etwa 15 Uhr als ich gewaltig in die Pedale treten musste: 250 Höhenmeter auf einer Strecke von 4 oder 5 Kilometern erwarteten mich. Gar nicht so ohne, bedenkt man, dass man nach wie vor auf einer Schotterstraße dahin fuhr. Schweißgebadet, selig und fix foxy kam ich auf der Mooshöhe im Radlertreff an. Der junge Hüttenwirt, der nebenbei bemerkt, „goanet teppert“ ausschaut, hat mir wohl meinen Drang nach Kaffee angesehen und mir das leckerste Gesöff der ganzen Radtour gezaubert (der mich an vietnamesischen Kaffeetschi erinnerte!).
Irgendwie hat er wohl gespürt, dass die abenteuerliche Naturburschin in mir langsam Überhand nahm und ich mit dem Gedanken des draußen Schlafens spielte (ich habe kein Wort davon erwähnt, i schwööör!). Denn er verschwand plötzlich und kam nach ein paar Minuten zurück, mit einem breiten Grinser im Gesicht und in seiner Hand: ein Schlafsack. Er sagte mir, dass heute Nacht Vollmond wäre, man die Milchstraße mit freiem Auge sehen konnte und der Sternenhimmel (aufgrund fehlender Lichtverschmutzung) einfach ein Traum wäre. Den Schlafsack hätte er allerdings gern wieder zurück, denn der habe einen hohen immateriellen Wert für ihn, schließlich war dieser Schlafsack schon fast auf jedem Kontinent mit ihm gewesen (was ich ihm aufgrund von Fotos an den Wänden sogar abkaufte). Er sagte mit aller Überzeugung, dass er mir diesen sicher nicht geben würde, wenn er sich nicht ganz sicher wäre, dass er den irgendwann wieder zurück bekäme. Ich gab ihm zu bedenken, dass die Wahrscheinlich etwa gegen Null ginge, dass ich ein zweites Mal hierher käme. Naja, wie es der „Zufall“ so will: der Typ wohnt in Steyr, wo ich tags zuvor durchgeradelt bin. Ich bedankte mich also, schnappte mir wahrhaftig den Schlafsack, verabschiedete mich von Robert und schoss die geniale Straße nach Unterlaussa bergab. Weiter ging es nach Weißenbach. Ach und plötzlich sah ich das Schild: *Steiermark – Das grüne Herz Österreichs*.
Von der Euphorie getrieben machte ich auch in Sankt Gallen nicht Halt sondern zischte noch die Straße weiter. Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass ich, sobald ich bereit war, einen optimalen Schlafplatz im Freien finden würde. Ich entschloss, dass ich bei 55 gefahrenen Kilometern die Suche beginnen würde; ein Teil von mir war allerdings über dieses völlige Vertrauen in das Schicksal überrascht aber ich gab mich dem Gefühl hin, denn ich spürte keine Angst sondern Sicherheit. Als haarscharf km 55 auf meinem Fahrradcomputer aufblitzte, sah ich schon eine Abzweigung in den Wald; das musste ich auschecken. Yeah das Gesetz der Synchronizität hatte also wiedermal zugeschlagen, wie es so oft passiert wenn ich voll und ganz in Achtsamkeit lebe, im Bewusstsein bin. Zufall oder doch Botschaft des Universums?
Kurzer Exkurs zum Gesetz der Synchronizität mit dem ich mich in letzter Zeit immer öfters beschäftige. Für die einen mag es nichts als Humbug sein, andere können mit „Kraftfelder“, „Intuition“ oder „göttliche Matrix“ vielleicht mehr anfangen. Wie auch immer. Vielleicht habt ihr auch schon mal eine wundersame Zufallsbegegnung gehabt oder etwas erlebt, wovon ihr behaupten würdet, dass es ein glücklicher Zufall war, vielleicht sogar Glück? Zusammenhänge/Gründe gibt es immer; was jedoch nicht dasselbe ist wie die Ursache. Lt. dem Psychologen C. G. Jung ist Zufall reine Illusion, das Universum folgt geordneten Mustern und ist somit synchronisiert. Er hatte die Annahme, dass alles was man sowohl tut als auch denkt Spuren hinterlässt. Man telegraphiert unbewusst seine Gedanken und Gefühle in das Umfeld. So ist die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbunden – eh klar. Aber dies darf nicht nur für ein Individuum verstanden werden, denn wir Alle sind Eins. Alles ist mit Allem verbunden durch unsichtbare Kraftfelder.
Um auf unseren persönlichen Lebensweg zu gelangen, müssen wir unserer Intuition folgen; das haben viele allerdings verlernt, mir gelingt es auch nicht immer aber nun immer häufiger. Die göttliche Matrix, also das Universum unterstützt uns auf dem Weg, wenn wir uns etwas von Herzen wünschen. Wenn man im Bewusstsein lebt, dann werden sich unsere Wünsche wie von selbst realisieren. Dann passieren öfters diese „Zufälle“. So ist man zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Dies ist das Geheimnis der Synchronizität. :) Hoffentlich glaubt ihr nun nicht, dass ich völlig plemplem bin! haha
Puhh, ziemlich abgedriftet; also nun zur besagten Schlafplatzsuche in der Wildnis: ich fuhr die kurze Strecke über eine Brücke und fand eine wunderbare Lichtung (perfekto zum Sterneschauen) umgeben von Bäumen und einem Bach nicht weit entfernt. :D Ich wusste doch, wenn ich darauf vertraue, dann finde ich den optimalen Schlafplatz. Ich richtete mich zwischen zwei großen Bergen Holzscheiteln häuslich ein (also eig. hab ich nur mein Fahrrad abgestellt und den Schlafsack auf den Boden geworfen), ging zum Fluss und wusch mich dort, schickte meinem Bruder meinen Standort und legte mich zum Schlafen ins Tausend-Sterne-Hotel hin. Es wurde immer dunkler und dünkler und ich wappnete mich vor der aufsteigenden Angst die ich möglicherweise verspüren würde; schließlich wusste ich noch nicht wie ich reagiere, so ganz alleine irgendwo am Wiesenboden, umgeben von einem Fluss und vom Wald. Aber ich freute mich auf die neue Erfahrung und ich würde es bald herausfinden. Und naja, sagen wir mal so: es kam weder die Angst noch der Schlaf. Ich starrte stundenlang auf den Sternenhimmel der nebenbei bemerkt wirklich atemberaubend war. Die Grillen waren so laut und ich war aus unerfindlichen Gründen bis 4 Uhr Früh nicht müde. Dann schlief ich ein und wachte nach etwa zwei Stunden, um 6 Uhr morgens wieder auf. In diesen zwei Stunden allerdings hatte ich einen wunderbaren Traum, der sich kurze Zeit später als wahr herausstellte! :D Ich träumte, dass das kleine Mädchen von meinen Bekannten zur Welt kommen würde. Als ich ihnen dies mitteilte, bekam ich die Info, dass die Kleine gerade „am Weg“ sei. Wenige Stunden später war Emma da!
Achja die Route des zweiten Tages war wie folgt:
Losenstein – Reichraming – Reichraming Hintergebierge – Mooshöhe/Weißenbach – Sankt Gallen – irgendwo im Wald zwischen St. Gallen und Admont
Tag 3 – Höllenritt über zwei Pässe: In your Face Lois!
Um 6 Uhr morgens waren zwar die unglaublich lauten Grillen zur Ruhe gekommen aber die Vögelchen zwitscherten schon fröhlich um die Wette, der ganze Wald war bereits wach. An Schlaf war jetzt schon garnicht mehr zu denken. Ich fuhr also ziemlich zeitig los und war seeeehr froh darüber, denn ein kurzer heftiger Regenschauer inkl. Gewitter ließ nicht lange auf sich warten; ich fetzte bergab, schaffte es gerade noch in den nächsten Ort und stellte mich bei der Straßenmeisterei unter. Ich glaube dort hieß es Weng im Gesäuse. Der nächste Ort war dann eh schon Admont, wo ich vor garnicht allzu langer Zeit war, denn der Betriebsausflug führte uns in dieses Stift. Dort ist es sowas von schön. Die Sonne schien auch schon wieder als ich mich zum Vormittagskaffee niederließ. Und jedesmal war ich aufs Neue überrascht, dass Jedermann, egal wie weit weg von Zuhause, meine Wohnortgemeinde Pucking kannte. Hääh?!
Ich wusste, dass ich irgendwann im Laufe der Radtour über zwei derbe Pässe drüber müsste, der Tag war heute gekommen. Wenn ich an die Gerlos-Alpenstraße damals von Salzburg nach Tirol zurückdenke, zieht es mir die Krausbirne auf. Vom Endboss namens Gerlos träume ich heute noch oft.
Der erste Pass für den Tag war 15 Kilometer lang, er führte von Admont nach Trieben. Ich versuchte zu cheaten und fragte im Informationsbüro nach einem Bus. Nääähhh…ich könnte ihn höchstens umfahren in dem ich bis ins Selzthal düse aber das hatte mich noch viel weniger gereizt. Also startete ich um etwa 11:30 mit dem ersten der beiden Pässe. Lustig war das nicht. Da kein Platz für ein Fahrrad war, pressten Autos, Motorräder und LKWs wie Sau bei einem vorbei. In meinen Notizen finde ich außerdem folgende Aufzeichnung dazu: Erster Pass ist Hardcore, habe ich mir aber noch schlimmer vorgestellt. Ich dachte nämlich, es geht 15 Kilometer bergauf. Allerdings war nach km 9 bereits Schluss mit Aufstieg und ich wurde mit 6 Kilometer genialstem bergab-fahren belohnt. Mannmannmann war das geil! Ich schrie und sang und jauchzte vor Glück!
In Trieben angekommen, verweilte meine Euphorie aber nicht allzu lange, denn der zweite Pass (oh.mein.Gott) stand mir unmittelbar bevor. Dieser startete eben in Trieben und führte bis nach Hohentauern, keine Ahnung wie viele Höhenmeter das wieder waren… Ich wollte diesen gleich sofort durchziehen, weil mir sonst vermutlich die Kraft und auch die Motivation ausgegangen wäre. So machte ich nur für ein kurzes Foto halt und begann mit dem irren Aufstieg. Diese Leidensgeschichte muss ich etwas mehr ausführen denn bei diesem dachte ich kurz sogar ans Aufgeben und Autostoppen. Ich machte gefühlte tausend Pausen, bekam einen fetten Sonnenbrand, schob das Fahrrad, was nicht weniger anstrengend war und kämpfte mich ohne Spaß Meter für Meter für Meter hinauf. Ich zählte immer eeeins, zweiiii, dreiiii, usw. Und ließ dazwischen immer meinen Unmut über die Steigung aus „I kau nimmaaaa, mir is soo haaaaß, wo is des verdaummte Hohentauern?!“ Der war richtig richtig arg. Als ich das Ortsschild Hohentauern sah war ich unbeschreiblich glückselig und wollte die Welt umarmen. Fünf Stunden und viele Schweißperlen später hatte ich die beiden Pässe gerockt; haste nicht dran geglaubt Loisl, ha? In your face!!! ;)
Plötzlich hatte ich wieder genug Power um noch in den nächsten und den übernächsten Ort zu fahren, wobei in Möderbrugg leider kein Bett für mich verfügbar war und zwar aufgrund der gerade stattfindenden MotoGP. Ich bog also nach Oberzeiring ab und betete, dass diese noch ein freies Zimmer hatten, denn die Wetteraussichten für die Nacht waren alles andere als gutti, sollte nochmal der Schlafsack zum Einsatz kommen müssen. In Oberzeiring grinste mich eine ältere Dame am Ortsplatz so lieb an, dass ich sie gleich um einen Tipp für eine Unterkunft fragte. Hehe Volltreffer: sie schwang sich auf ihr Fahrrad und bat mich ihr zu folgen. Ihre Schwägerin besitzt eine Pension im Ort und sie hatte mehr als genug Platz; ich war ihr einziger Gast. Das Zimmer war 1A und es war die günstigste Bleibe der ganzen Reise (30 Euro inkl. Frühstück).
Die Route des dritten Tages:
Irgendwo im Wald zwischen St. Gallen und Admont – Weng im Gesäuse – Admont – Trieben – Hohentauern – Möderbrugg – Oberzeiring
Tag 4 – Regen – Gewitter – Sonne – Karma, baby!
Tag 4 begann nass und trüb. Schon in der Nacht machte es alle paar Sekunden einen Tuscher weil so ein heftiges Gewitter über uns tobte. Ich verabschiedete mich vom dem Gedanken mit dem Fahrrad die ganze Strecke fahren zu können und suchte schon nach passenden Zügen bis nach Klagenfurt. Aber so kampflos wollte ich nicht aufgeben; ich wartete bis das Heftigste abgeklungen war und wagte mich gegen halb 10 vor die Tür. „Du willst do jetzt oba net wirkli mim Radl foan oder?!“ verdattert stand ein Herr mittleren Alters vor mir und gab mir noch zu denken „Bei dem Wetter radlfoan is eigentlich a NOGO, da Blitz hod scho vü Radler daschlogn – nau du bist a horta Knochn“. Na passt, der hat mir all meine Bedenken genommen – nicht. So radelte ich dann also los, immer mit kritischem Blick zum Himmel empor und kämpfte mich von Unterschlupf zu Unterschlupf. Einmal war es eine Bushaltestelle, dann eine Waschanlage, dann eine private Garage. In den Regen/-Gewitterpausen strampelte ich um mein Leben aber oft kam der Regen und Donner so gach, dass ich nirgends Schutz suchen konnte, da es nur Wald und Wiesen gab, da radelte ich lieber nass weiter als mich unter einen Baum zu stellen. Wer mich kennt, der weiß, dass einer meiner Urängste es ist, vom Blitz getroffen zu werden (aufgrund von ein paar unschönen Zelt-Ereignissen hab ich wohl ein kleines Trauma erlitten). Und während ich so in die Pedale trat und der Donner über mir grollte, hörte ich immer wieder die Stimme meines Bruders in meinem Kopf „Jo Bianca, der Blitz riacht des wennma Angst vor erm hod“ – lol.
Der ganze Tag war ein Wechselspiel des Wetters und somit der Gefühle. Nach den heftigen Schauern am Morgen erträumte ich mir niemals, dass sich die Sonne an diesem Tag noch blicken lassen würde, aber sie kam heraus und zeigte was sie konnte. Hinter mir völlig dunkel, vor mir hell. Ich fuhr der Sonne entgegen. Wie meine liebe Freundin Lisa so schön sagt: „Karma, baby!“.
Irgendwann wieder Regen und Gewitter und Sonne und so weiter. Alles in allem konnte ich aber sagen, dass ich mit dem Wetter mehr Glück als Pech hatte (wenn man an Glück und Pech glaubt), denn die Woche vor meiner Anreise war ja der reine Wahnsinn was Unwetter betrifft und zuhause in OÖ berichtete man mir sogar von Hagelkörnern!
Von Oberzeiring fuhr ich an dem Tag über Pöls bis nach Unzmarkt-Frauenburg bergab und tw. gesperrte Straßen. Von Scheifling bis nach Perchau am Sattel waren es zwar nur 6 km, jedoch noch ein letztes Mal eine anstrengende Steigung für die Radtour. Ab dann war es wie der Himmel auf Erden. Es ging fast ausschließlich geradeaus und bergab. Was für ein tolles Gefühl! :) In Neumarkt in der Steiermark machte ich beim Billa halt und ließ meine nassen Klamotten trocknen. Eine schöne Radstrecke wartete auf mich. Ich durchfuhr den Ort „Wildbad-Einöd“ (da gehts sicher um ois in dem Ort!) und in Dürnstein gelangte ich schlussendlich zur Grenze Steiermark – Kärnten. Jupiduuuu
Bei Friesach gab es zwar einige freie Zimmer zum Pennen, allerdings war es noch zu früh um zum Radeln aufzuhören also tuckerte ich bis Micheldorf weiter, machte einen kurzen Stopp vor der Hirter Brauerei und landete in Treibach-Althofen für den Abend. Die Preise waren hier verhältnismäßig etwas höher, so zahlte ich für ein Einzelzimmer im Treibacherhof 45 € (allerdings inkl. reichaltigem Frühstücksbuffett).
Meinem Hintern ging es übrigens noch immer bestens – Gelsitz ftw.
Die Route für Tag vier hier nochmal grob zusammengefasst:
Oberzeiring – (fast) Pöls – Unzmarkt-Frauenburg – Scheifling – Perchau – Neumarkt in der Steiermark – Friesach – Micheldorf – Treibach-Althofen
Tag 5 – Die Radtour ist beendet – Ein Wiedersehen nach vier Jahren <3
Also wenn das Wetter mitspielt und man nicht auf Regenpausen warten muss, dann würde man es von Linz in OÖ nach Klagenfurt in Kärnten in vier Tagen sicher schaffen. An Tag 5 ging ich es nämlich völlig gemütlich an und radelte erst nach langem Trödeln am Frühstücksbuffett irgendwann am späten Vormittag los.
Ich machte auch unzählige Foto-/Videopausen da sich die Umgebung so schön dafür anbot. Ein toller Radweg (ich glaub Murauer-R7) führte mich die letzte Etappe vorbei an Sankt Veit an der Glan bis nach Klagenfurt, wo ich bei schönstem Sonnenschein am frühen Nachmittag ankam. In der Innenstadt war die Hölle los denn ich kam genau an dem Wochenende, an dem einmal im Jahr ein Straßenfest inkl. riesigem Flohmarkt stattfindet. Uhhh die letzten Kilometer am Bike waren gekommen. Gemischte Gefühle tobten in mir: ich war einerseits etwas traurig dass die Radtour nun zu Ende war und andererseits hatte ich eine Riiiiiesenvorfreude meine Freundin Sabo nun bald in die Arme schließen zu können!
Sie wartete schon auf mich in ihrer kleinen aber sehr feinen Wohnung! Mann, war das Wiedersehen schön! 4 Jahre!!! Und es fühlte sich an als hätten wir uns das letzte Mal vorige Woche gesehen! Und dann ging es los „quaquaquaaa“, wir tratschten stundenlang und übersahen völlig die Zeit; es war ja schließlich einiges geschehen seit unserem letzten Aug-in-Aug-Treffen! Am Abend besuchten wir noch kurz das Stadtfest und schmausten beim Inder namens Shiva der uns gar nicht mehr gehen lassen wollte und uns als Abschied eine feste Umarmung gab! :D Er bot Sabo an für sie und ihre Freunde ein indisches Festmahl zu zaubern.
Route für Tag 5:
Treibach-Althofen – Radweg R7 :) – Klagenfurt am Wörthersee
Tag 6 – vom Katzen-Cafe, Taschenfunden und Bocadillo
Sabo insistierte, dass ich in ihrem Bett schlafen müsse und sie verbrachte die Nacht auf einer Matratze am Boden. Nachdem wir fast den ganzen Vormittag verpennt hatten, spazierten wir schnurstracks ins sog. populäre cat’n’coffee um die Ecke und genossen in Anwesenheit von zehn Miezen Kaffee und ich eine leckere vegane Suppe.
Anschließend führte mich Sabo per Fahrrad etwas herum und gab mir eine private Klagenfurt-Tour. Was für ein schöner sonniger Tag das war! Am Wörthersee fanden wir eine verlassene Frauenhandtasche inkl. Visitenkarten und Geld. Wir kontaktierten den Kollegen der Deutschen Besitzerin der ein Treffen arrangierte. Der Taschenbringdienst, also Sabo und ich, schupfte der noch völlig ahnungslosen jungen Frau die Tasche auf den Campingplatz vorbei; haha sie hatte noch nicht mal bemerkt, dass die Tasche weg war.
Am Abend begleitete ich Sabo in den Gottesdienst der Life Church Klagenfurt und erlebte mal einen mir bislang noch nicht geläufigen Gottesdienst, bei dem gesungen und tw. getanzt wurde. So kannte ich das noch garnicht.
Anschließend gingen wir zu Viert, inkl. Maribel aus Kolumbien die gerade AuPair hier macht und David zum Abendessen. Maribel erzählte von ihrem Land und den kulturellen Unterschieden, mit denen sie zeitweise zu kämpfen hat. Sie gab uns eine kolumbianische Köstlichkeit namens Bocadillo, eine traditionelle Süßspeise die aus Guave und Panela hergestellt wird. Mein letzter Abend in Klagenfurt war so schön aber am nächsten Tag war es schon wieder Zeit heimzufahren. Ich wäre noch gern länger geblieben, jedoch musste ich sonntags um Punkt 14:30 in Linz beim Musiktheater für „Die Schöne und das Biest“ gestellt sein. Hätte ich noch paar Tage länger gehabt wäre ich vermutlich zu einem Spezzi nach Ljubljana weitergedüst.
Tag 7 – Reibungsloses Heimkommen
Um 8 Uhr morgens stieg ich nach einer dickenfesten Umarmung von Sabo (Wiedersehen bitte ganz bald in Linz mit Maribel) in den Zug von Klagenfurt und hatte schon so meine Bedenken, ob ich pünktlich für das Theater in Linz sein würde. Denn erstens musste ich mit vier verschiedenen Zügen fahren (die Anschlüsse waren straff getimed) und zweitens konnte ich bei drei von diesen keinen Fahrradplatz reservieren. Aber alles lief sowas von unkompliziert und reibungslos ab, dass es fast schon unheimlich war. Um 13 Uhr war ich in Linz angekommen und musste nur über die Straße drüber um schon beim Musiktheater zu sein. Meine Freundin Ricarda war so cool und hat mir sogar theater-taugliche Schuhe und Klamotten mitgebracht (Danke!!!), mit Radlerhose wollte ich dann doch nicht in die Vorstellung gehen. Das Rad parkte ich vorm Theater und schon konnte es entspannt losgehen.
Zu dem Musical: Es handelt sich um eine deutschsprachige Produktion von ungarischen Künstlern und wir fanden es toll und soooo lustig. „Die Schöne“ ist echt wunderschön und das Bühnenbild sowie die Performance haben es wie die Gesänge und das Orchester echt drauf. Thumbs up!
Den Abschluss der Radtour bildete nun nur mehr die Reise von Linz nach Pucking (was ich radelnd bis dato ehrlich gesagt noch nie getan hatte). Kurz vor Pucking dachte ich bei den letzten Kilometern daran, dass ich nur eine Woche weg war aber ich soviel erlebt und gesehen hatte dass es sich anfühlt als wäre ich viel länger weg gewesen. Die Radtour hat mir wieder gezeigt, wie sehr ich lange Radfahrten liebe und habe gleich auf eine rischtisch laaaaange Tour Lust bekommen…be continued… ;D