Über die Magie des Alleinreisens, des nach Hause kommens und über die Sehnsucht des wieder gehens
Während ich hier diese Zeilen tippe, sitze ich in einem kleinen Van von Siem Reap, (Kambodscha) Richtung 4000 Islands (Laos). Obwohl der Van, meines Erachtens, schon rappelvoll ist, halten wir immer wieder an um noch mehr Leute einzusammeln, teils Farangs (also Ausländer wie mich) und teils Einheimische. Obwohl eigentlich Platz für nur 11 Mitreisende ist, zähle ich am Ende 19 Personen! Und eine Waschmaschine sowie ein Fahrrad müssen auch noch mit. Die Straße ist unter aller Sau, wir werden kräftig durchgeschüttelt. Die nächsten 8 Stunden werden fun. Kein Wunder also, dass das Auto nach wenigen Stunden den Geist aufgibt! :)
„Traveling – it leaves you speechless, then turns you
into a storyteller“
Der Van ist also mit Leuten so vollgestopft, dass ich mit einer Arschbacke auf meiner Sitznachbarin picke. Sie kommt aus Frankreich und ist Mitte 30. „Waaas?! Du reist ganz alleine?!“ Sie ist sichtlich geschockt! Ich muss grinsen und erzähle ihr ein paar Reisegeschichten die grad zur Thematik passen. Sie sagt mir, ich soll unbedingt ein Buch schreiben! :D Also genug zu erzählen hätte ich schon!
Einsichten einer Alleinreisenden
Alleine reisen? In einem so weit entfernten Land? Und noch dazu als Frau? Zugegeben, das hört sich erstmals etwas sehr beängstigend an. Also zunächst mal: Man ist niemals allein. Außer man will dies und sogar dann ist es gar nicht so leicht. In den ganzen Wochen als ich allein reiste, fühlte ich mich kein einziges Mal einsam. Man trifft überall Leute: im Hostel, im Bus, auf einer Tour, am Berg, im Shop, auf der Straße, einfach überall. Ich schwöre es euch, es war eine der wunderbarsten Erfahrungen die ich in meinem bisherigen Leben machen durfte. Es ist etwas ganz Besonderes allein aufzubrechen, zu staunen, zu leiden, zu genießen. Und man lernt soviel über sich selbst! Es ist immer wieder wahnsinnig spannend und interessant wie man in gewissen, nicht alltäglichen Situationen reagiert und sich verhält. Außerdem lernt man sich selbst zu vertrauen. Ich denke, die größte Entwicklung ist, dass einen die Alleinreise unglaublich stark macht. Mittlerweile weiß ich, dass ich so gut wie jede Situation alleine meistern und unangenehme Situationen bewältigen kann.
Außerdem ist alleine Reisen die absolute persönliche Freiheit. Ich kann schlafen so lange ich will. Ich kann das Restaurant an der Ecke ausprobieren, dass mich die letzten Tage schon so gut angesehen hat. Ich kann auch einfach mal gar nichts machen und es ist okay! Zuhause hat das Umfeld Erwartungshaltungen an einen, und es fällt schwer, daraus auszubrechen. Ich kann mich auf Reisen neu erfinden, jeden Tag. Niemand weiß, wer ich bin. Außerdem ist es wichtig für mich beim Reisen nicht zu „huddeln“. Der Weg ist bekanntlich das Ziel. Ich mach lieber langsam, damit die Geschichten mich finden können.
Bitte habt keine Angst vor anderen Kulturen! Ob ich nun von Einheimischen in Indonesien, Australien, Neuseeland oder Südostasien spreche oder von anderen Reisenden unseres Planeten: Menschen sind unglaublich lieb und meistens aus tiefem Herzen hilfsbereit und freundlich!
Zehn Minuten Kronen Zeitung oder Nachrichten im Fernsehen und du denkst, die Welt ist schlecht. Zehn Minuten mit irgendeinem beliebigen Menschen irgendwo auf der Welt und du denkst, wir sind alle Brüder und Schwestern!
Heute Nacht zum Beispiel bin ich mit einem anderen Hostelgast aus Tel-Aviv (Israel) die ganze Nacht draußen gesessen; haben Sterne geguckt und einfach so lange gequatscht bis die Sonne aufging (Uuupps…). Ich kenne Boaz‘ Lebensgeschichte und viele seiner Reiseerlebnisse jetzt wohl besser als von so manchem Freund zuhause. Man führt grundsätzlich unzählig tiefgründige Gespräche, immer wieder…über die Kultur, übers Sein, übers Leben…über die Liebe…über Abschiede…Die besondere Verbindung die zwischen Reisenden wie aus dem Nichts aufpoppt und besteht, kann man nur schwer verstehen und nicht in Worte fassen. Ich kann euch zwar von meinen Erlebnissen und Abenteuern berichten, aber es ist nicht dasselbe.
Einen Aspekt sollte man beim Alleinreisen dennoch beachten: Mit sich selbst klar zukommen ist eine nicht irrelevante Fähigkeit! Man kann auf Reisen vor fast allem davonlaufen – aber nicht vor einem selbst. Wenn alle alltäglichen Ablenkungen wegfallen ist man plötzlich mit sich selbst und seinen Gedanken allein. Und oftmals war ich mit meinen Emotionen wirklich überfordert:
Es kam vor, dass ich einfach nur da saß und plötzlich heulen musste als wäre etwas Schlimmes passiert. Dann fragte ich mich: Was zum Teufel ist jetzt los?! Und konnte nicht mal einordnen ob es sich nun um Tränen der Freude handelten weil ich dies alles erleben darf und so unglaublich wunderschöne Momente durchlebte und jeden Tag aufs Neue erlebe. Ob es sich nun um Tränen handeln weil ich hin und wieder Heimweh verspürte oder ich jemanden ganz Bestimmten vermisste, oder ich so traurig war dass eine immense Armut herrscht und ich absolut nichts dagegen tun kann. Ich kann mir solche Gefühlsausbrüche, die eigentlich erst einsetzten seit ich „alleine“ unterwegs bin, nur so erklären, dass es eine tief intensive Erfahrung ist und ich manchmal voll von Emotionen bin, in welche Richtung auch immer, und es dann einfach raus muss.
Take it easy
Was man sich als solo traveler dennoch zulegen sollte: eine dicke Haut, gepaart mit dem nötigen Humor, gemischt mit einer kräftigen Portion Wurschtigkeit. Besonders als Frau allein steht man manchmal unangenehmen teilweise kuriosen Situationen gegenüber: ein Auszug aus meinen Leben, noch keine 24 Stunden alt: ich setze mich in meinem Hostel in die Lobby zu einem beliebigen Fremden (etwa Mitte 40, angeblich ein Yogalehrer und Guru), der mich sofort mit „Hallo Bianca“ begrüßt. Woher er meinen Namen kennt, verrät er mir zwar nicht, dafür redet er nicht lange um den heißen Brei und offeriert mir ein unmoralisches Angebot. Ich lehne dankend ab und nimm’s mit Humor. Ein Bekannter bekommt das Gespräch mit und verscheucht ihn. Ich bereue gleich, die Konversation nicht aufgenommen zu haben, hätte noch für einige Lacher gesorgt.
Man gewöhnt sich an (fast) alles
Der erste 15-Stunden-Bus alleine war noch so eindrucksvoll, dass ich anschließend allen davon berichtete. Ein paar Wochen und vielen vielen 15-Stunden-Bussen später, gehörte dies schon längst zum Reisealltag und war nicht mehr der Rede wert. Genauso ging es mir mit vielen anderen Dingen auch. Der Bus ist drei Stunden zu spät und geht fast über? Nach dem Weg fragen und keiner spricht Englisch?Keine Privatsphäre im 30-Betten-Zimmer? Eiskalte Dusche? Dreckiges Klo? Kein Klopapier? Gar keine Klo? Na und? Man muss kein Nervenkostüm aus Stahl haben um sich an fast alles zu gewöhnen.
Alleine zu reisen ist eine super Erfahrung und kann vieles im Leben verändern. Aber natürlich ist es nicht die perfekte Reiseart für Jedermann. Zusammen reisen mit dem Geschwisterl, dem Partner und mit Freunden ist ebenso der Hammer und hat viele unschätzbare Vorteile, die jeder für sich selbst finden muss.
Mein schlimmstes Reiseerlebnis
Vielleicht sagen einige von euch, dass alleine reisen gefährlich ist. Bestimmt hatte ich unzählig furchtbare Erfahrungen! Was mein schlimmstes Reiseerlebnis alleine war? War es der korrupte Grenzübergang von Kambodscha nach Thailand, war es eine der unzähligen schier unendlich langen Busfahrten in Vietnam, war es die Lebensmittelvergiftung im Süden von Laos oder war es als ich allein durch den kambodschanischen Dschungel mit giftigen Schlangen und herannahender Dunkelheit geirrt bin? War es der Stalker den ich in Phnom Penh abbekommen hab und der mich anschließend wochenlang terrorisiert hat, war es das gebrochene Herz das ich einkassiert oder das ich verteilt habe, war es der kleine Motorradunfall in Thakhek oder als ich tief in einer Höhle einen Schwindelanfall bekam und ins Wasser stürzte oder war es als ich mit Malariaverdacht in einem laotischen Krankenhaus lag? Die Liste könnte ich noch weiterführen. Aber was auch immer meine schlimmste Erfahrung war, im Nachhinein gesehen war es nicht besonders schlimm, es entstanden daraus wieder super Geschichten und außerdem: was mich nicht umbringt macht mich stärker! Es gibt ein Sprichwort das mir gut gefällt: „Abenteuer ist gefährlich, Routine ist tödlich.“
Wenn ich so zurück denke war eigentlich der schwierigste Teil der Reise nicht etwa eine Krankheit zu überstehen, mit den unterschiedlichsten Kulturen klar zukommen, die Reise zu finanzieren oder neue Freunde zu finden – nein – der schwierigste Teil war es, nach Hause zurück zu kommen und die Erkenntnis zu haben, dass ich nicht mehr in mein altes Leben zurückkehren kann, aber später mehr dazu.
Träume sind zum Träumen da?
Das letzte halbe Jahr war der reine Wahnsinn und die Welt mein Zuhause und alles was ich zu der Zeit besaß passte in meinen kleinen 6 Kilo Rucksack. Ich wachte fast jeden Tag in einer neuen Stadt, in einem neuen Dorf, an einem neuen unbekannten Ort auf. Jeden Morgen war ich so aufgeregt und gespannt was mich heute wohl wieder erwarten würde. Und ich wurde nie enttäuscht! Ein kurzer throwback der letzten sechs Monate:
Ob es nun die vierwöchige Fahrradreise quer durch Österreich bis nach Italien war. Die anstrengenden Kilometer über die Gerlos-Alpenstraße oder den Berg von der Schweiz nach Südtirol. Die langsam verändernde Landschaft, die Sprache, die Menschen. Die schier endlosen Straßen, die unzähligen Unwetter die wir überlebten, die vielen Verstecke im Wald die wir fanden, jeden Tag unser Zelt auf- und wieder abbauen, der Sturz der mich fast dazu brachte aufzugeben, die vielen wunderbaren Menschen inkl. Couchsurfer die uns halfen, die Kälbchen-Geburt auf einem Bauernhof, die zwei Südamerikaner mit denen wir über eine Woche reisten und schließlich gemeinsam das herbeigesehnte Meer in Jesolo und Lignano erreichten! (Manu ist mit seinem Fahrrad noch immer unterwegs und hält sich gerade in Griechenland auf!). Und wir hatten es wirklich geschafft! 1500 Kilometer mit dem Fahrrad von Pucking nach Italien!
Oder zu Beginn unserer Fernreise in Bali, wo wir einen super Start mit einem balinesischen Couchsurfinghost Eko und seiner Freunde hatten, oder wir versuchten im verrückten Verkehr zu überleben, die Gastfreundschaft der Balinesen schätzen lernten, im Rahmen unserer MopedBiketour schönste Wasserfälle, Tempel und Dschungel entdeckten und somit die geilsten Tiere wie freche Makaken, Gibbons und den seltenen Balistar fanden.
Oder der Roadtrip mit Pascal und Chrisi durch Australien, angefangen im heißen Darwin (im Northern Territory) und wir uns die Westküste bis nach Margeret River runterkämpften. Die Erinnerungen daran sind teilweise schon wieder verblasst aber einige Highlights werde ich niemals vergessen, wie zB die schöne Küstenstadt Broome, wandern in dem unglaublichen gefährlichen Karinjini Nationalpark, schnorcheln im türkisen Meer beim Ningaloo Reef in Exmouth, Kängurus und Emos im Outback erblicken, die schönsten Sonnenuntergänge beobachten und den hellsten Nachthimmel inklusive Milchstraße bewundern! Die totale Freiheit mit unserem Camper spüren, vorm Ranger verstecken, andere Reisende inmitten vom Nirgendwo kennenlernen und einige davon hunderte Kilometer entfernt wiedertreffen, sich über Aboriginies wundern oder gerade noch einer tödlichen Schlange entkommen, von einer Straßengang flüchten und zum Abschluss bei netten Drogendealern in Perth vier unnormale Nächte verbringen.
Oft werde ich gefragt, wo es mir bis jetzt am besten gefallen hat und ich stelle dann immer die Gegenfrage: welchen Aspekt betrachtend? Die Menschen? Die Kultur? Die Landschaft? Das Essen? Wenn ihr wissen wollt, in welchem Land mich die Landschaft am meisten beeindruckt hat, kann ich das eindeutig mit „Neuseeland“ beantworten. Es war oft nicht einfach, denn wir hatten einen Kombi gemietet welcher schon alt, kalt und ranzig war. Aber Sid, unser Maori Couchsurfing host hat uns den besten Start in Neuseeland beschert den wir uns nur wünschen konnten. Wir sahen unglaubliche Naturschauspiele, die schönsten Sonnenuntergänge und eine lächerlich schöne Landschaft die einem den Atem verschlägt. Pascal und ich bekamen einfach nicht genug von Neuseeland und wir waren nur auf der Nordinsel und so gut wie jeder sagte uns, dass die Südinsel nochmal schöner ist! Wie ist das nur möglich? :D
Thailand war das letzte Land das ich gemeinsam mit meinem Bruder Pascal bereist habe und es war suuuper! Zu Beginn starteten wir in Bangkok (verspürten eine anfängliche Abneigung dagegen) und hatten wieder einen phänomenalen Couchsurfing host den wir sicher nicht so schnell vergessen werden! Wir waren außerdem im Norden unterwegs, trafen in Chiang Mai Chrisi, fuhren auf den höchsten Punkt Thailands, den Doi Inthanon, hatten eine Hammerzeit. Außerdem erkundeten wir das noch nördlicher gelegene Pai (I love you!).
Oh wow Vietnam! Wo soll ich anfangen und wo aufhören? Zunächst traf ich mich gleich zu Beginn mit Daniel und Thomas in Hanoi; etwas später stieß Chrisi dazu. Wir sahen soviel, angefangen vom Bergdorf Sapa, dem Weltnaturerben Halong-Bucht wo wir zuerst eine Nacht auf einem Boot verbrachten und anschließend auf einer kleinen Insel übernachteten. Wir reisten weiter in den Süden sahen Hue, Thomas flog zurück nach Österreich und Chrisi machte sich nach Kuala Lumpur auf. Daniel und ich trafen zwei super Reisepartner, Tobi und Claudi aus Deutschland (ich vermisse euch sooo seeehr!!); mit ihnen hatten wir auch eine unglaubliche unvergessliche Zeit in Hoi An (!), Dalat, Mui Ne und schließlich Saigon.
Kambodscha ist so facettenreich, dass ich mir schwer tue es in nur wenigen Worten zu beschreiben. Angefangen habe ich in der Hauptstadt Phnom Penh und kämpfte mich südlich nach Kampot, verbrachte dort Weihnachten (dann der kurze Abstecher nach Bangkok), verbrachte Silvester in Sihanoukville und das neue Jahr auf einer einsamen Insel. Siem Reap war meine letzte Station mit seinem fabelhaften Angkor Wat. Die Einwohner sind der Wahnsinn. Außerdem lernte ich soviele tolle Menschen kennen die ich in meinem Herzen trage.
Lange Zeit durfte ich Laos leider nicht genießen, aber die wenigen Tagen die ich dort verbrachte waren so schön (ich traf außerdem wiedermal ein paar alte Bekannte) und zum anderen sehr prägend. Dort war es auch wo ich mir endgültig eingestehen musste, dass mein Körper eine Auszeit vom Reisen braucht. Ich sah im Süden die 4000 Inseln, Pakse und machte eine Mopedfahrtour in Thakhek. Laos hat landschaftlich auch soviel zu bieten und obwohl mir die Einheimischen etwas distanzierter vorkamen (als in anderen Teilen von Südostasien), sind sie so wunderbar und einzigartig!
“Traveling gives you home in thousand strange places, then leaves you a stranger in your own land.”
Dadurch, dass ich dank meiner (fehlenden) Gesundheit meine Reise vorzeitig abbrechen bzw. unterbrechen musste, ist dieses Gefühl, aus etwas herausgerissen worden zu sein wohl noch intensiver als hätte ich das Ende meiner Reise geplant gehabt. In mir herrschte bzw. herrscht ein komplettes Gefühlschaos. Einerseits freute ich mich riesig endlich meine geliebte Familie (ich hab ohne Scheiß die besten Eltern auf der ganzen Welt – ich schwöre!) und meine wunderbaren Freunde wieder zu sehen, aber zur gleichen Zeit hatte ich Angst nach Hause zu kommen und das aus unterschiedlichsten Gründen. Ich hatte Angst davor, Chrisis Sachen zuhause zu sehen, ich hatte Angst davor, dass mich niemand heilen könnte und ich mit den Schmerzen leben müsste, ich hatte Angst davor, dass ich mich wieder zurückentwickeln würde, denn ich liebte die neue Bianca zu der ich geworden bin.
Außerdem machte sich bald eine massive Melancholie in mir breit. Ich hatte mich verändert, aber meine Umgebung nicht. Es fühlte sich an, als wäre die Zeit in dem letzten halben Jahr stehen geblieben. Es änderte sich nichts daran, dass ich meine Familie, meine Freunde und das kleine Pucking über alles liebte, aber immer wieder fühlte ich, nicht mehr so recht hineinzupassen. Das klingt womöglich komisch und abwertend aber so fühlte ich in den ersten Tagen meiner Rückkehr. Jede freie Sekunde dachte ich an „drüben“ und was ich wohl gerade tun würde. Ich fühlte dieses Feuer in mir und fühle es immer noch. Die Perspektive und meine Sichtweise auf viele Dinge hatte sich geändert. Dieses Feuer brennt nach wie vor; ich will Neues ausprobieren, über neue Thematiken sprechen, neue Menschen kennen lernen oder neue Erkenntnisse äußern aber wann auch immer ich versuche dies jemanden zu erklären und dieses Feuer jemandem beschreiben will, fehlen mir die Worte. Deshalb sage ich am besten gar nichts. Ein Teil in mir versucht dann zu schreien: „Kann denn niemand sehen, wie sehr ich mich verändert habe?“ Ich meine nicht mein Äußeres sondern tief in mir hat sich etwas verändert, in meinem Kopf hat sich so vieles getan. Die Art und Weise wie ich unseren Planeten wahrnehme, meine Werte. Die grundlegende Veränderung spüre ich jede Minute mit jeder Faser meines Körpers. Doch wie erklärt man das jemandem? Sprecht ihr meine Sprache? Könnt ihr mich verstehen?
Den hohen Preis den ich nun bezahlen muss
Ich spreche nicht von Geld. Nein, ich spreche von der Tatsache, dass ich nach diesen augenöffnenden sechs Monaten eben nun das Gefühl habe nur noch schwer hineinzupassen, habe Probleme damit mir vorzustellen, in mein altes Leben zurückzukehren. Die Gespräche die hier geführt werden, scheinen aus einer anderen Welt zu stammen mit denen ich nichts mehr anzufangen weiß…Ich höre zu aber begreife die Sinnhaftigkeit nicht mehr… Die berühmte Post-Reise-Depression ist real und ich leide wohl gerade massiv daran. Mein Körper ist zwar anwesend aber mein Herz und meine Gedanken hängen noch am anderen Ende der Welt herum.
Ich bin zwar noch nicht lange zurück aber lange genug um die hier herrschende Unzufriedenheit und Intoleranz zu durchleben vor der ich mich so gefürchtet habe. Wie eine „Watschn“ hat es mich getroffen, schon beim Rückflug von Abu Dhabi nach Wien als ich neben zwei Steyrern saß und sich diese über die Inder neben uns maßlos aufregten. Ich dachte mir nur: Asien bitte nimm mich zurück!
Oft bekommt man Gespräche mit die ich am liebsten nicht gehört hätte weil sie mich so traurig und wütend machen. Dann würde ich am liebsten diese sudernden Leute bei den Schultern schnappen und schütteln und schreien: Wisst ihr eigentlich wie verdammt gut es uns geht, hört endlich auf zu meckern und hetzen und seid mal bisschen dankbar! Ich will natürlich nicht alle in einen Topf werfen ganz klar, viele wissen ganz genau wie gut sie es haben. Seit der Reise schätze ich nun umso mehr eine warme Dusche, sauberes Trinkwasser, Strom, ein schönes Heim, eine erstklassige medizinische Versorgung und vieles mehr, von dem die Einheimischen von zB Kambodscha oder Laos nur träumen können.
„You will never be completely at home again, because parts of your heart always will be elsewhere. That’s the price you pay for the richness of loving and knowing people in more than one place.“
Ich habe Menschen kennengelernt, bei ihnen übernachtet, die hatten nichts, sie schliefen zu sechst am Boden, hatten nicht einmal Strom, arbeiten jeden Tag am Feld so hart um ihre Familie ernähren zu können und sind dennoch (oder gerade deshalb) so lieb und herzlich! Diese Erfahrung hab ich in ganz Südostasien machen dürfen: je weiter man von den Touristenspots wegkommt, desto warmherziger sind sie und man wird freundlich begrüßt und willkommen geheißen! Man hat auch den Eindruck, dass sie wirklich aus tiefem Herzen glücklich sind und ihr Schicksal annehmen.
In Pakse (Laos) habe ich mit einheimischen Kindern im Dreck mit Steinen und Sand gespielt. Und sie schienen glücklich und hatten eine Menge Spaß (und ich erst!). Also was braucht man nun zum Glücklichsein?
Auf so einer Reise sieht man hunderte verschiedene Orte die man für kurze Zeit sein Zuhause nennt. Zwangsläufig hab ich an einigen magischen Orten einen Teil meines Herzens gelassen. Ich hatte unzählige tiefgehende Begegnungen, habe wunderbare Menschen kennengelernt die ich nun meine Freunde nennen kann welche weltweit verstreut sind. Allein in New York habe ich neun Homies denen ich jederzeit einen Besuch abstatten kann und dies mit Sicherheit auch in naher Zukunft tun werde…..
Je mehr ich gesehen habe, desto mehr will ich sehen! Die Welt ist sooo groß, vielfältig und wunderschön. Je länger ich reise, desto größer scheint sie zu werden.
Weshalb ich nach Hause zurückkehrte
Begonnen hat meine persönliche Leidensgeschichte schon lange bevor ich jemandem davon erzählte und auch noch bevor ich den Schmerz als solchen annahm und nicht mehr ignorierte. Es war irgendwo in Vietnam, wann und wo genau weiß ich nicht mehr, hin und wieder verspürte ich ein Stechen in meinem rechten Unterbauch. Wird schon wieder weggehen redete ich mir ein…Tag für Tag.
Von Kambodscha nach Thailand
Einige Zeit später, ich befand mich gerade in Kambodscha, war es schon so gut wie unmöglich den Schmerz, der mich mittlerweile permanent (also fast 24 Stunden lang) quälte, zu verdrängen. Trotzdem versuchte ich am täglichen Reiseleben normal teilzunehmen. Ich erinnere mich noch genau, zu der Zeit, es war kurz vor Weihnachten, traf ich in Kampot eine wundervolle Reisegruppe (Ich vermisse euch Leute!). Trotz der Ungewissheit was da bei mir abging und der elenden Schmerzen hatte ich eine tolllle Zeit dort.
Wir schliefen in Baumhäusern neben dem schönen Kampot Fluss, radelten durch Dörfer kilometerweit zu einer unglaublichen Höhle, krachten mit dem Moped auf die Spitze des Bokor Nationalparks, feierten Weihnachten am Strand und hatten lustige Karaoke Abende.
Irgendwann (es war zwischen Weihnachten und Silvester) habe ich entschlossen mich nach Bangkok ins Krankenhaus aufzumachen um es nun endlich medizinisch abklären zu lassen. Die medizinischen Standards sollen dort ausgezeichnet sein.
Ich buchte also ein Busticket von Kambodscha nach Thailand, verabschiedete mich schweren Herzens von Julie, Steffi, Wolf, Dave, Ashley und Ben. Wenn alles gut ging wollte ich mich in Sihanoukville, also im Süden von Kambodscha wieder mit Steffi und Ashley treffen um Silvester zu feiern. Außerdem war geplant, gemeinsam mit Dave im Februar durch Myanmar zu reisen; ob ich aber den Rest der Bande jemals wieder sehen sollte, stand noch in den Sternen.
Dann begann ein nicht endend wollender Höllenritt nach Thailand. Diese Fahrt war für mich deshalb nicht so geil, da es mein erster Grenzübergang über Land war, ich schon so viele Horrorgeschichten darüber hörte, ich Angst und Schmerzen hatte und genau diese Grenze als „Gateway of Hell“ bezeichnet wird. Die Vorkommnisse auf dieser Fahrt werde ich in einem eigenen Artikel über Kambodscha verarbeiten. ;) Es sei jedenfalls so viel gesagt, dass dies für mich die Königsdisziplin darstellte und ich alle nachkommenden Hürden und Herausforderungen leicht wegsteckte.
Im Krankenhaus in Bangkok
In Bangkok ging ich schließlich in das exklusivste beste fancy und sauteurem Krankenhaus namens Bumrundgrad. Man wird erst behandelt wenn man seine Kröten herausrückt. Das Problem: ich war mittlerweile knapp bei Kasse, zumindest was mein liquides Geld betraf. Bis frische Kohle auf der Kreditkarte oben war dauert es ja wieder einige Tage. So kratzte ich mein gesamtes Vermögen zusammen und bezahlte in vier verschiedenen Währungen (US Dollar, Euro, Dong und Baht). Es ging sich ums Arschlecken geradeso aus. Jetzt hatte ich aber keine Moneten mehr für eine Unterkunft, ich überlegte schon im Hostel zu fragen ob ich gratis im Foyer schlafen durfte. Mein Leid klagte ich ein paar Freunden per whatsapp. Und was für ein Glück ich hatte: Claudi, die ich in Vietnam kennenlernte, kam exakt an diesem Tag auch nach Bangkok, sie half mir aus der Patsche! Bussiiii!! :-*
Naja jedenfalls ließ ich mir eine Magen- und Darmspiegelung verpassen. Mir wurde eine chronische Gastritis im Magen und eine Colitis und Divertikulitis im Darm diagnostiziert. Und was ich noch lustig fand war, dass in Summe neun Schwestern und Ärzte zu mir kamen um mein grünes und braunes Aug und die unterschiedlich großen Pupillen zu begutachten – hahah – als hätten’s noch nichts Spannenderes in ihrem Leben gesehen. Und was suuuuper war: in einem Supermarkt in einer Ministraße mitten in Bangkok traf ich zufällig auf Julie!
Am nächsten Tag schneite ich nochmal kurz rein um meine Medikamente abzuholen, ließ vier von sechs wegstreichen weil ich mir diese nicht leisten konnte und wollte dem Krankenhaus gerade den Rücken kehren, als ich im Spiegel auf meiner Schulter einen Ausschlag entdeckte. Na toll. Aber eine erneute Untersuchung konnte ich mir genauso wenig leisten wie die restlichen Medikamente also schnappte ich meine sieben Sachen und haute mich wieder nach Kambodscha.
Obwohl mein Kreislauf die beiden Antibiotika nicht gut vertragen hat (gscheide Bomber), sah es die ersten Tage so aus als würden sie anschlagen, keine Schmerzen mehr, ich war überglücklich! Doch nach einer gewissen Zeit meldeten sie sich wieder und verschwanden nicht mehr… Ich kann gar nicht beschreiben wie sehr ich am Boden zerstört war. Die ganze Sache mit Bangkok war also völlig umsonst gewesen. Zusätzlich hatte ich auch umsonst meinen Körper mit den starken Medis vergiftet. Und obwohl schon einige Freunde und die Familie vorsichtig vorschlugen die Reise abzubrechen, dachte ich nicht ans nach Hause kommen.
Bleibende Erinnerungen in Laos
Erst als mir mein Körper keine andere Wahl mehr ließ ging alles ganz schnell und so gach änderte sich meine Meinung. Und zwar passierte folgendes: Ich war gerade in Laos und befand mich wiedermal in einer 15 stündigen Busfahrt von den 4000 Islands (im Süden) nach Thakhek, was sich in Zentral-Laos befindet. Ich wollte dort mit dem Moped einen Viertages-Loop machen, wurde dann aber ziemlich krank am Morgen wo wir aufbrechen wollten. Also schleppte ich mich 1,5 Stunden zu Fuß („Ist nicht weit gleich dort vorne“) in das dortige „Krankenhaus“. Zum Glück klaubte mich eine Einheimische mit dem Moped auf sonst wär ich noch zusammengebrochen.
Dort angekommen erwarteten mich bleibende Eindrücke: die Beschreibung „Krankenhaus“ war relativ fehl am Platz (ich Idiot hab mein Handy im Hostel gelassen darum gibt’s leider keine Fotos!). Es war höchstens ein massiv dreckiges kleines Gebäude wo der Warteraum mit den Kranken sich im Freien befand und drinnen weitere Kranke am Boden lagen. Als ich eintrat und nach einem Arzt suchte, sah ich zu meiner Rechten einen Raum der nur mit einer Glasschiebetür von mir getrennt war: es war der OP-Saal und es wurde gerade operiert!!! Sprich ich sah alles. Das hat mir schon einen leichten Schock versetzt, als dann aber der operierende Arzt einfach heraustrat als er mich erblickte und zwar voller Montur und voller Blut sowie einem nicht wenig blutigem Skalpell in der Hand und mich in gebrochenen Englisch fragte wie er mir helfen könnte, musste ich hysterisch loslachen. Dass der Blutdruckmesser auch nach mehrmaligem „Gegen-den-Tisch-hauen“ nicht funktionierte wunderte mich nicht wirklich. Sie nahmen mir schließlich Blut ab und untersuchten es auf Malaria. Währenddessen lag ich auf einer Liege aufgebahrt, ein anderer Backpacker gammelte auch rum, wir waren die einzigen Ausländer.
Nach einer Stunde etwa kam ein Arzt und teilte mir mit, dass es kein Malaria war und druckte mir am Unterbauch herum. Er sprach ein paar Fetzn Englisch. Er war fest davon überzeugt, dass ich eine Blinddarmentzündung hätte. Er sagte, er müsse mich auf der Stelle operieren. Öhhm – lass mich kurz überlegen: NEIN! Er fragte, seit wie vielen Tagen ich schon erbrechen würde…seit zwei…Er sagte mir noch, wenn er mich jetzt nicht operieren würde, bin ich morgen tot! Cool! Ich hab trotzdem schnell das Weite gesucht, denn eine OP hätte wohl mehr angerichtet als sie geholfen hätte und ich war mir ziemlich sicher, dass es keine Appendizitis war! Ans nach Hause fahren war noch immer keineswegs zu denken!
Naja der Tag verging, der nächste kam. Was macht Bianca? Sie denkt sich, eigentlich geht’s mir schon wieder fast gut, da könnt ich doch auf die siebenstündige Motorradtour mitfahren – smart! Gegen den Sturkopf kamen auch meine Mitreisenden nicht an, so fuhren wir los (die Strecke war der Hammer) und kamen erst bei Dunkelheit in einem abgelegenen Dorf an. Ach ja: einen kleinen Sturz hatte ich mit meinem Moped als beim bergabfahren keine Straße sondern nur mehr Steine den Weg säumten. Wir übernachteten im Dorf (und aßen mit den wunderbaren Einheimischen mit denen wir uns per Google Translator unterhielten) und besuchten am nächsten Tag die riesengroße Konglor Höhle (ich fiel natürlich ins Wasser!). Anschließend machten wir uns wieder auf den siebenstündigen Rückweg.
Und dann war es soweit: mein Kreislauf dankte ab! Mir war so massiv schwindlig, schlecht, ich hatte Herzrasen und ich dachte: „So das war’s. Der Arzt hatte doch recht, jetzt sterbe ich“.
Überraschenderweise bin ich nicht gestorben, aber ich wollte auf der Stelle heim. Am liebsten hätte ich mich nach Hause gebeamt! Noch in derselben Nacht habe ich den Bus nach Pakse genommen von wo aus wiederum ein Bus nach Bangkok ging. Dort stieg ich in den nächsten Flieger über Abu Dhabi nach Wien.
Back in Austria
Naja und seitdem bin ich hier. Ich habe schon eine Woche stationären nicht wirklich aufschlussreichen Aufenthalt im Welser Klinikum hinter mir und befinde mich seit einer Woche im AKH Linz. Ich hoffe inständig, sie finden die Ursache für meine Schmerzen.
Ich bin zurückkehrt – um wieder zu gehen
Die Entscheidung, dass ich wieder gehen werde, fiel ehrlich gesagt schon, noch bevor ich österreichischen Boden unter den Füßen hatte. Bestätigung für mein Vorhaben holte ich mir gemeinsam mit Parth, einem Inder der nun in New York wohnt (mein Flugzeugsitznachbar) beim Zwischenstopp in Abu Dhabi: wir warfen eine Münze der Währung Dirham in die Luft; das Schicksal hat entschieden. Wir beide hüpften wie Verrückte herum und freuten uns wie kleine Kinder als die Münze auf die richtige Seite fiel! :D
„Am Ende bereuen wir nur die verpassten Chancen.“ –
„In the end we only regret the chances we didn’t take.“
Bianca, deine Erzählungen hören sich an wie ein Reise-Krimi!
Ich hoffe, es geht dir wieder besser und du weißt endlich, was gesundheitlich los mit dir ist!
Mega Artikel! Best so far! Awesome!
Wünscht dir auch hier noch mal alles Gute, dass du wieder völlig gesund wirst!
Dear Bianca, I absolutely love this article, your openness & your total lack of fear to express yourself. You were not meant to fit in anywhere, and certainly not after finally discovering yourself. Your challenge may be to remain exactly the person you are. Be it! It’s possible! Get better soon! Looking very forward to your other articles😘
Bianca, du bist und bleibst unsere Lieblingstochter. Saugeil das Erlebte.